Source: Badische Zeitung. 18. Juni 2002.

WIESLET. Der Weg ins Kleine Wiesental lohnte sich diesmal doppelt für die Kunstfreunde. Denn in Wieselt wurden am Samstagnachmittag gleich zwei Ausstellungen des bedeutenden Expressionisten Friedrich Ludwig eröffnet.

Neu ist die Sonderausstellung „Akte aus sechs Jahrzehnten“ mit 60 Aktbildern im Ludwig-Museum, zudem gab es eine eintägige Verkaufsausstellung mit 60 weiteren Werken des Malers in der Gemeindehalle. Professor Sigurd Marien hat aus dem Bestand der MFG von 1800 Ludwig-Bildern die Auswahl dafür getroffen. „Gute Aktbilder sind immer eine Ausstellung wert“, sagte Hans Viadot von der Kulturinitiative KuK bei der Eröffnung in der Wiesleter Dorfkirche. Viadot stellte einmal mehr die Erfolgsgeschichte des Friedrich-Ludwig-Museums heraus: 6000 Besucher in drei Jahren, „ein Reisebus voll pro Sonntag“. Das sei nur durch den Elan, die Begeisterung der ehrenamtlichen KuK-Mitarbeiter zu erreichen. Auch Bürgermeister Eugen Simen begrüßte die Vernissagegäste in Wieslet, dem „Tor zum Wiesental“. Auf das Ausstellungsthema Akt und die Schnittpunkte von Kunst und Kirche kam Pfarrerin Susanne Roßkopf zu sprechen. „Die Kirche hat ein gespaltenes Verhältnis zur Nacktheit“, sagte sie. „Nacktheit zeigt, wie Gott uns geschaffen hat“. Doch Nacktheit sei auch zwiespältig, es gebe auch eine bloßstellende Nacktheit.

Über die Geschichte des Aktmalerei sprach Sigurd Marien in seinem Einführungsgespräch (… Text fehlt) … immer noch heikle Thema „Nackt“ zu sprechen, erscheine etwas gewagt, meinte Marien. Er verwies auf Beispiele in der Kunstgeschichte und der Kirchenmalerei, auf die Darstellungen des ersten Menschenpaares Adam und Eva in der Bildenden Kunst oder auf Jesu-Darstellungen; etwa in Kreuzigung-Skultpuren. I,m Laufe von 2000 Jahren hätten sich die Moralbegriffe geändert, so Marien weiter. Im 19. Jahrhundert waren es die Kunstakademien, die versuchten, die Verklemmtheit des wilhelminischen Zeitalters zu überwinden. Die ersten Aktmodelle wurden in die (… Text fehlt) … Ausbildung gehörte auch die Darstellung des nackten Menschen. Dabei waren Frauen zunächst nur als Modelle zugelassen, als Kunststudentinnen durften sie erst viel später an den Aktstudien teilnehmen.

Bis heute steht die Frau im Mittelpunkt der Aktmalerei. Die meisten Künstler haben ausschließlich weibliche Akte gemalt. Um die Zeit der vorherigen Jahrhundertwende wurde dann nach neuen Lebensformen gesucht, so entstand die „Nacktkultur“ als Ausdruck der Freiheit. Im gleichen Zug entdeckten auch Künstler den nackten Körper als (… Text fehlt) … Expressionisten wie Heckel, Pechstein und Kirchner zogen mit ihren Modellen an einen See und malten dort, „Naturerlebnis und Eros mit dabei“.

Der 1895 geborene Maler Friedrich Ludwig hat diese Zeit des Aufbruchs voll miterlebt. Schon als Student malte er erste Akte. Als er 1926 nach Paris ging, um sich dort an einer renommierten Akademie (Freie Akademie Julien) ausbilden zu lassen, und später in den 30er Jahren kam er mit vielen künstlerischen Einflüssen seiner Zeit in Berührung; dem Impressionismus, dem Expressionismus, dem Kubismus. Aus dieser Fülle konnte er schöpfen. Ludwig habe die Ästhetik der Aktmalerei bis ins Alter beherrscht, er sei „ein wirklicher Könner in der Wiedergabe dieses heiklen Themas“, würdigte Sigurd Marien den Maler des expressiven Realismus, dem ein entsprechender Platz in der Kunstgeschichte gebühre.

Nach der Eröffnung in der Kirche, die Aldo Fross an der Carl-Hess-Orgel von 1928 mit einem reizvollen Musikprogramm „á la Bohèmienne“ begleitete, hatten die Besucher Gelegenheit, die beiden Ausstellungen zu besichtigen. „Open end“ war an diesem Tag die Verkaufsausstellung in der Gemeindehalle geöffnet. Dort standen Bilder von Ludwig in verschiedensten Techniken und Motiven zur Auswahl: vom Ölgemälde bis zur Zeichnung, eindrucksvolle farbenkräftige Landschaften, Figurenbilder, Porträts, alles zu erschwinglichen Preisen von 500 bis 3000 Euro. So konnten die Besucher nicht nur die exquisiten Museumsbilder bewundern, sondern sich auch einen „eigenen“ Ludwig mitnehmen…

Bericht: Roswitha Frey